Wir haben zum Kinostart von FREEHELD ein Interview mit Schauspielerin und Produzentin Ellen Page geführt.
FREEHELD
(USA 2015, 127 min, Regie: Peter Sollett, FSK 6)
Jede Liebe ist gleich.
Der Film erzählt die wahre Geschichte von Polizistin Laurel Hester (Julianne Moore), die nach einer Krebsdiagnose darum kämpft, dass ihre jüngere Lebensgefährtin Stacie Andree (Ellen Page) Anspruch auf eine Hinterbliebenen-Pension hat. In weiteren Rollen sind Michael Shannon, Luke Grimes und Steve Carell zu sehen. Das Drehbuch stammt von "Philadelphia"-Autor Ron Nyswaner.
Interview mit Ellen Page
MARTIN: Vielen Dank für Ihr Coming-Out und Ihre inspirierenden Worte bei "Time to Thrive". Es war damals für mich und sicherlich auch viele tausend Menschen weltweit inspirierend.
ELLEN: Danke.
MARTIN: Sie sind in dem Projekt vermutlich seit 2008 involviert.
ELLEN: Ja.
MARTIN: Kurz nachdem der Dokumentarkurzfilm den Oscar gewonnen hat. Können Sie mir von der langen Reise, diesen Film zu produzieren, erzählen? Sie werden ja auch als Produzentin genannt.
ELLEN: Ja. Ich wurde erstmals an Laurels und Stacies Geschichte durch den Dokumentarfilm herangeführt. Die Produzenten Michael Shamberg und Stacey Sher schickten mir die Doku zu und fragten, ob ich mich anschließen und Stacie spielen wollte. Natürlich war ich sehr bewegt vom Film und sagte sofort ja. Dann waren tatsächlich sie diejenigen, die so freundlich waren, mich in den Entwicklungsprozess einzubeziehen. Dann ging es darum, einen Drehbuchautoren zu finden, das Buch schreiben zu lassen, Regisseur, Julianne etc. Es wirkt wie eine lange Zeit, aber ich würde sagen, es war eine normale Dauer in Anbetracht, dass ich vor dem Drehbuch beteiligt war.
MARTIN: Aber für Sie war es auch eine ziemlich persönliche Geschichte und Entwicklung. Sie haben sich vor zwei Jahren geoutet und ich glaube, dass Sie während der Filmproduktion auch eine innere Reise für Sie war. Können Sie darüber reden?
ELLEN: Natürlich, ja. Ich war 21, als ich mich dem Film anschloss, und war zu der Zeit noch völlig ungeoutet und hatte Angst, dass die Leute… Ich musste verbergen, dass ich lesbisch bin. Viele in der Community können das verstehen. Ein furchtbares Gefühl, von dem ich wünschte, dass Menschen sich nicht damit befassen müssten. Viele Dinge passierten in meinem Leben, natürlich, aber eines, ein großer Teil davon, war die Reise, diese Geschichte zu erzählen, und von Menschen wie Laurel und Stacie inspiriert zu werden. Sie taten etwas so Außergewöhnliches in Zeiten unvorstellbarer Schwierigkeiten. Es sind Leute wie sie, die einen dazu inspirieren, nicht nur das Richtige für die Community zu tun, sondern auch für sich selbst.
MARTIN: Was haben Sie persönlich von ihrer Geschichte gelernt?
ELLEN: Nun, es gab Dinge, die ich nachvollziehen konnte. Ich identifizierte mich mit Laurel, die das Gefühl hatte, verstecken zu müssen, wer sie war, und ihre Beziehung verstecken zu müssen; damit, wie sich das auf Stacie auswirkte; wie dies einen selbst und die Liebe füreinander vergiftet. Und ich bewunderte so sehr, dass Laurel sich behauptete. Laurel outete sich nicht nur, sondern kämpfte für Gleichberechtigung – und kämpfte für meine Gleichberechtigung. Das inspiriert einen dazu, sich zu erheben, eine sichtbare Person zu sein und eine Stimme zu haben.
MARTIN: Wenn Sie keine Schauspielerin wären und nicht im Rampenlicht stünden, würden Sie sich eher bedeckt halten oder wären Sie eine Aktivistin und kämpften um Ihre Rechte als Lesbe? Oder würden Sie sogar eine grundlegende Revolution wie Stonewall starten oder dabei sein wollen? (beide lachen) Haben Sie je über etwas davon nachgedacht?
ELLEN: Natürlich, klar. Ich habe mit VICE eine Sendung gemacht, für die ich um die Welt gereist bin und viele unglaublich mutige Aktivisten getroffen habe, die ihr Leben riskieren. Man möchte gerne glauben, dass man solch ein Mensch wäre. Ich würde gerne hier sitzen und sagen: "Ja, ich würde einen Ziegel schmeißen." Aber… Oder mehr ziviler Ungehorsam oder eine Vielfalt von Dingen. Ja, natürlich habe ich das Gefühl, dass dies ein Teil dessen ist, wer ich bin. Es fühlt sich organisch und natürlich an, nicht nur generell für Menschenrechte zu kämpfen. Aber… (schmunzelt) Ich war nicht bei Stonewall, da habe ich noch nicht gelebt. Ich kann das nicht allzu genau beantworten.
MARTIN: Als offen lebende Lesbe stehen Sie aber auch im Rampenlicht als Schauspielerin. Sind Sie in der Lage, einfach nur bei einem CSD mitzulaufen, zu einer Lesbenparty zu gehen, etwas so zu unternehmen wie normale Menschen? Oder müssen Sie ständig Ihre Privatsphäre schützen?
ELLEN: Ach, wissen Sie, von einer anonymen Person zu einer… Das spiegelt sich in jedem Lebensbereich wider. Nach der Ehegleichheitsentscheidung ging ich zum Pride in New York. Ich bin generell nicht der Typ, der groß in Bars geht, das ist also nicht wirklich meine Szene. Aber selbstverständlich werde ich erkannt oder habe Interaktionen, wenn ich zu solchen Orten gehe, aber für gewöhnlich sind sie angenehm und positiv und wunderbar. Das ist einfach Teil meiner Erlebnisse als Mensch, weil ich zufällig in einigen Filmen mitspielte.
MARTIN: Stacie sagt im Film, dass sie einen kleinen Traum hat: ein Haus, eine Beziehung, ein Hund. Können Sie das nachfühlen oder haben Sie größere Träume?
ELLEN: Nein, vollkommen. Ich finde, das ist ein großer Traum. Ich finde, das ist, wo die wahre Zielsetzung liegt: in einer erfolgreichen, liebevollen, wachsenden, sich entwickelnden Beziehung zu sein. Für mich ist das, wo ich die meiste Erfüllung fühle: in der Liebe. Und ich bin definitiv romantisch. Für mich ist Liebe wertvoller, als in einem Film zu spielen.
MARTIN: Viel Glück mit Ihrer Partnerin und viel Erfolg mit dem Film.
ELLEN: Danke.
Hier das gesamte Video-Interview im Original: